eine Zeichnung, die einen Mann von hinten zeigt, der auf vier verschiedenfarbige Fragezeichen blickt© M. Dressler

Die eigene Karriere nachhaltig planen

von Anna Brokmann

Nach Abschluss eines Studiums beginnt für die meisten Menschen ein beruflicher Lebensabschnitt, der sich über ungefähr 80000 Arbeitsstunden erstreckt (vgl. Todd, B. 2016). Diese lange Zeit prägt berufliche Identität, persönliche Zufriedenheit und langfristige Entwicklungsmöglichkeiten. Die Frage, wie dieser Abschnitt bewusst und strategisch gestaltet werden kann, steht im Zentrum der wissenschaftlichen Arbeit von Prof. Dr. Carl Schütte und Prof. Dr. Matthias Dreßler aus dem Fachbereich Wirtschaft. In ihrer Forschung und Lehrpraxis zeigt sich regelmäßig, dass frühe berufliche Entscheidungen häufig auf Annahmen beruhen, die später nicht mehr tragfähig sind. Viele Karrierewege entstehen aus spontanen, naheliegenden oder extern beeinflussten Entscheidungen, die selten systematisch reflektiert werden, obwohl sie langfristige Auswirkungen haben.

Technologischer Wandel als Herausforderung

Die aktuellen technologischen Entwicklungen verstärken die Bedeutung reflektierter beruflicher Entscheidungen erheblich. Digitalisierung und insbesondere der rasche Fortschritt im Bereich künstlicher Intelligenz verändern Tätigkeitsprofile in vielen Berufsfeldern mit hoher Dynamik. KI-Systeme übernehmen wiederholbare oder datenintensive Aufgaben, unterstützen Entscheidungsprozesse und verändern etablierte organisatorische Abläufe. Diese Veränderungen zeigen sich nicht nur in neuen technischen Möglichkeiten, sondern auch in der Art und Weise, wie Arbeitsprozesse strukturiert und Verantwortlichkeiten verteilt werden. Gleichzeitig entsteht eine zunehmend komplexe Arbeitsumgebung, in der bestehende Qualifikationen schneller an Grenzen stoßen können und neue Fertigkeiten an Bedeutung gewinnen. Dadurch steigen die Anforderungen an Anpassungsfähigkeit, Lernbereitschaft und den souveränen Umgang mit digitalen Werkzeugen.

Das Seminar im Wintersemester

Vor diesem Hintergrund fand das seit 2016 angebotene Seminar zur nachhaltigen Karriereplanung auch im Wintersemester erneut im Rahmen der Interdisziplinären Wochen statt. Mit 90 Bewerbungen verzeichnete die Veranstaltung eine außergewöhnlich hohe Nachfrage, was die Relevanz des Themas und das Interesse der Studierenden deutlich unterstreicht. Das Seminar richtet sich an Teilnehmende verschiedener Studiengänge und bietet einen strukturierten Rahmen, um sich intensiv mit Fragen der beruflichen Orientierung, der eigenen Entscheidungslogik und den langfristigen Konsequenzen beruflicher Weichenstellungen auseinanderzusetzen. Ziel ist es, die Teilnehmenden dabei zu unterstützen, berufliche Entscheidungen langfristig tragfähig auszurichten und strategische Entwicklungswege bewusst zu gestalten. Ein besonderer inhaltlicher Schwerpunkt lag in diesem Semester auf der Frage, welche Bedeutung künstliche Intelligenz für nachhaltige Karriereplanung hat und welche neuen Möglichkeiten sowie Herausforderungen sich daraus ergeben. Die Diskussionen machten deutlich, dass die Fähigkeit zur reflektierten Auseinandersetzung mit zukünftigen Entwicklungen ein zentraler Bestandteil nachhaltiger beruflicher Gestaltung ist.

Wahlmöglichkeiten und nachhaltige Karrieregestaltung

Nachhaltige Karriereplanung basiert darauf, möglichst viele zukünftige Wahlmöglichkeiten zu erhalten. Dieser Ansatz stärkt berufliche Autonomie und verhindert, dass sich Menschen durch zu frühe Spezialisierung langfristig einengen. Vor dem Hintergrund einer Arbeitswelt, die zunehmend durch KI unterstützt wird, gewinnt die Entwicklung übertragbarer und adaptiver Kompetenzen an Bedeutung. Entscheidend ist nicht nur die Nutzung technologischer Systeme, sondern auch das Verständnis ihrer Funktionslogik, die kritische Einordnung ihrer Ergebnisse und die sinnvolle Integration in Arbeitsprozesse. KI verschiebt menschliche Rollen stärker in Bereiche der Gestaltung, Koordination und Bewertung komplexer Zusammenhänge.

Dabei geht es nicht um das schnelle Erreichen prestigeträchtiger Positionen oder äußerlich definierter Erfolgskriterien. Im Mittelpunkt steht die Schaffung beruflicher Optionen, die auch zukünftigen und heute noch nicht absehbaren Entwicklungen Raum geben. Ein zentraler Aspekt besteht darin, dass viele zukünftige Tätigkeiten heute erst im Entstehen sind und neue Berufsfelder schaffen, deren Umrisse sich erst allmählich ausbilden.

Der reflektierte Umgang mit möglichen Zukunftsszenarien reduziert das Risiko späterer Umorientierungszwänge und stärkt gleichzeitig Selbstbestimmung und berufliche Wirksamkeit. Im Seminar steht deshalb die Fähigkeit im Zentrum, berufliche Entwicklung bewusst, reflektiert und langfristig auszurichten. Ziel ist es, die Teilnehmenden dazu zu befähigen, ihre berufliche Zukunft in einer durch KI geprägten Arbeitswelt mit Klarheit, Flexibilität und Selbstwirksamkeit zu gestalten.

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