Ist ein Name Programm oder – wie Shakespeare schrieb – zählen die Inhalte mehr als der Begriff? What’s in a name? fragte sich schon Julia in „Romeo und Julia“. Würde eine Rose nicht genauso lieblich duften, wenn sie einen anderen Namen trüge? Mit dieser Frage beschäftigte sich auch die Fachhochschule Kiel über mehrere Monate. Aus dem Präsidium kam der Vorschlag, die Fachhochschule Kiel (FH Kiel) in Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW Kiel) umzubenennen. Damit reiht sich Kiel in die Reihe der Fachhochschulen ein, die den Namenswechsel bereits vollzogen haben. „Der Begriff FH stammt aus einer anderen Zeit“, begründet Hochschulpräsident Prof. Dr. Björn Christensen den Vorschlag, der auch aus dem Kreis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihn herangetragen wurde. „Früher stand eine Fachhochschule oft tatsächlich lediglich für ein Fachgebiet, das dort gelehrt wurde – davon sind wir heute weit entfernt.“
Exzellente Lehre ist ohne Forschung nicht möglich
Um das zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die Geschichte: Die deutschen Fachhochschulen gingen aus Ingenieurschulen, Akademien und Höheren Fachschulen für Gestaltung, für Sozialarbeit oder Wirtschaft hervor. Ab Juli 1968 durften sich Fachhochschulen als eigenständiger Hochschultyp etablieren und gründen. Im Gegensatz zu den Universitäten, deren Auftrag die (Grundlagen-)Forschung ist, arbeiten Fachhochschulen eher anwendungsorientiert. In der Vergangenheit lag ihre Hauptaufgabe insbesondere in der Lehre. Heutzutage gehören aber auch angewandte Forschung und Transfer zu den Pflichtaufgaben. Denn: Eine exzellente Lehre ist ohne Forschung nicht möglich. Der deutlichste Unterschied zwischen Hochschulen und Universitäten besteht heute vor allem im Fächerangebot und in den Zugangsvoraussetzungen.
In den meisten Bundesländern gibt es keine staatlichen Fachhochschulen mehr
Heutzutage würden viele Schulabgänger und Studieninteressierte die staatliche Fachhochschule vielleicht sogar mit einer privaten Hochschule verwechseln, meint Christensen. „In den meisten anderen Bundesländern gibt es gar keine staatlichen Fachhochschulen mehr. Das macht es schwerer, uns im bundesweiten Vergleich einzuordnen.“ So trat der Präsident im Mai 2023 das erste Mal vor den Senat, das oberste beschlussfassende Gremium der Hochschule. Er stellte den Mitgliedern zwei Optionen zur Wahl: Hochschule Kiel oder HAW Kiel. „Tatsächlich wurden auch noch andere Namen diskutiert – etwa die Hochschule nach einer Persönlichkeit zu benennen“, erzählt Christensen. Dies wurde jedoch verworfen: Bei der Wahl einer Berühmtheit als Namensgeberin der Bildungseinrichtung drohte eine mögliche „falsche“ Wahl. Gesellschaftliche Umstände könnten dies in Zukunft als bedenklich erscheinen lassen. Die Option, bei der Fachhochschule Kiel zu bleiben, schloss das Präsidium von vornherein aus. „Angewandte Forschung und Transfer spiegeln sich in diesem Namen nicht wider. Wir wollen uns aber auch nach außen als verlässlicher Partner am Markt darstellen.“ Dafür sei der Name HAW Kiel - eine direkte Übersetzung des englischen Begriffs University of Applied Sciences - am besten geeignet, meint Christensen. Er drücke aus, worum es gehe: um die Anwendung von Wissenschaft und Wissen.
Bei der ersten Abstimmung im Senat im Juni 2023 wurde die Beibehaltung des bisherigen Namens Fachhochschule Kiel klar abgelehnt, allerdings erhielt keiner der beiden Vorschläge die erforderliche Mehrheit. Es fehlten zwar nur wenige Stimmen für die HAW Kiel, aber die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Umbenennung wurde nicht erreicht. Damit begann der partizipative Prozess, der auch die Studierendenschaft einbezog. An der Befragung nahmen 2804 von 7672 Studierenden teil - 36,55 Prozent aller Immatrikulierten. Das Ergebnis: Die Mehrheit (63 Prozent) stimmte für HAW Kiel, 913 Studierende (33 Prozent) wollten Hochschule Kiel, fünf Prozent enthielten sich.
Ja zur HAW Kiel
Mit diesem Ergebnis in der Hinterhand gingen die studentischen Senatores erneut in die Abstimmung. Auch das Präsidium hatte in der Zwischenzeit die Mitarbeitenden für die neuen Namen sensibilisiert und zahlreiche Fragen beantwortet. In der Senatssitzung am 25. April vergangenen Jahres wurde erneut abgestimmt. Diesmal war das Ergebnis eindeutig, die Zweidrittelmehrheit für HAW Kiel wurde erreicht.
„Ich bin überzeugt, dass wir die Außenwahrnehmung unserer qualitativ hochwertigen Lehre sowie der angewandten Forschung und Transferleistungen deutlich steigern werden“, so Präsident Christensen. Deshalb wird der Name auch in Zukunft Programm sein.
