Herzlich willkommen an der FH Kiel, Frau Dr. Wocken. Stellen Sie sich doch bitte in eigenen Worten einmal vor.
Ich bin ein vielseitiges Organisationstalent mit einer hohen Begeisterung für Daten, Technologie, Innovation und die Arbeit mit Menschen. Studiert habe ich Volkswirtschaftslehre und Mathematik und später an der Christian-Albrechts-Universität Kiel in Agrarökonomie promoviert. Dort habe ich mich mit quantitativen Methoden beschäftigt, zum Beispiel mit ökonometrischen und statistischen Modellen zum Einfluss der EU-Agrarreform auf Agrarmärkte.
Nach der Universität bin ich als Softwareentwicklerin ins Berufsleben eingestiegen, obwohl ich vorher kein Informatikstudium absolviert hatte. Stattdessen habe ich durch Training on the Job viel gelernt. Später war ich bei CLAAS als Data Scientist tätig. Dort konnte ich meine Programmierkenntnisse, mein Verständnis für Daten und meine wirtschaftliche Perspektive gut miteinander verbinden. Anschließend habe ich für das IT-Consultinghaus codecentric den Standort in Bielefeld aufgebaut. Wir haben individuelle Softwarelösungen für Kunden entwickelt und als kleines Team am neuen Standort viele verschiedene Aufgaben übernommen, die von Vertrieb, zu Projektmanagement bis hin zur Organisation des Büroalltags reichten.
Parallel dazu engagiere ich mich ehrenamtlich in der Tech-Community. Ich bin unter anderem im KI Bundesverband aktiv und habe in Bielefeld die Initiative „Code for Bielefeld“ mitgegründet. Dort entwickeln wir gemeinwohlorientierte, technologische Lösungen. Ein Beispiel ist BaumBie.org, eine Seite, die Bäume in Bielefeld auf einer Karte zeigt und Infos wie Alter, Art oder Wasserbedarf bereitstellt. Außerdem kann man mit den Bäumen chatten und ihnen Fragen stellen. Ziel ist es, mit unseren Projekten die Themen Digitalisierung für Bürgerinnen und Bürger, Open Data und Citizen Science in unserer Stadt zu adressieren. Z.B. zeigen wir auf, welche Daten - mit BaumBie z.B. das städtische Baumkataster - bereits als Open Data verfügbar sind und wie diese genutzt werden können. Unsere Angebote richten sich an die breite Bevölkerung, aber wir gehen auch gezielt in Schulen und Arbeiten mit Jugendlichen zu Themen rund um Daten, Programmierung und Digital Future Skills. Zusätzlich organisiere ich seit fast zehn Jahren das Data Science Meetup in Bielefeld: bei den regelmäßigen Treffen teilen Data Scientists und KI-Expertinnen und KI-Experten ihr Wissen in Vorträgen, lernen voneinander und können sich austauschen.
Welche Fächer unterrichten Sie am Fachbereich Wirtschaft?
Ich habe die Professur für Wirtschaftsinformatik übernommen. Dazu gehören Projektmanagement, IT-Management, Wirtschaftsinformatik und künftig auch die Module Organisationsformen der Zukunft und Management der IT.
Wirtschaftsinformatik lässt sich als eine Schnittstelle zwischen Fachbereichen, wie Marketing oder Vertrieb, und der IT beschreiben. Deshalb geht es viel um Prozessverständnis, Organisation und Zusammenarbeit. „Projektmanagement und Wirtschaftsinformatik“ unterrichte ich dieses Semester auch für Studierende anderer Studiengänge mit dem Ziel, grundlegende Methoden zu vermitteln und ihnen einen Werkzeugkasten an die Hand für die Projektpraxis zu geben. Ich lehre sowohl Bachelor- als auch Mastermodule.
Was hat Sie dazu bewogen, nach Ihrer Zeit als PhD-Studentin wieder nach Kiel zurückzukehren, diesmal an die Fachhochschule?
Vor allem viel Zufall. Ich hatte über viele Jahre einen Lehrauftrag an der Hochschule Bielefeld und die Arbeit mit Studierenden hat mir immer viel Freude gemacht. Gleichzeitig hatte ich das Ziel, irgendwann praxisorientierte Lehre in Vollzeit zu machen, gern in Form einer Professur. Als ich die Ausschreibung an der FH Kiel gesehen habe, war das fast wie ein Weckruf. Die Stelle passte inhaltlich genau zu dem, was ich mitbringe: IT, Projektmanagement und Digital Future Skills. Also dachte ich, ich muss es einfach machen. Dass ich schon einmal drei Jahre in Kiel gelebt habe, hat die Entscheidung leichter gemacht. Ich habe das Leben am Wasser sehr genossen und finde es reizvoll, dass Kiel eine Landeshauptstadt mit Nähe zur Politik und zu Unternehmen ist.
Für welches Forschungsgebiet interessieren Sie sich besonders?
Es muss bei mir interdisziplinär sein. Digital Future Skills beinhalten nicht nur technologische Aspekte wie Programmieren, sondern auch Soft Skills wie Kommunikation, Kreativität oder wie man Beziehungen in Remote-Teams pflegt. Mich interessieren auch Fragen der digitalen Teilhabe. Kann jeder in digitalen Räumen mitmachen? Welche sozialen Ungleichheiten gibt es dort? Das führt mich über die reine Informatik hinaus in die Bildungswissenschaften, Sozialwissenschaften oder auch Wirtschaftspsychologie.
Welches war Ihre spannendste Stelle oder Ihr interessantestes Projekt?
Es fällt mir schwer, nur eines herauszupicken. Die Zeit bei CLAAS war spannend, weil ich gesehen habe, wie ein traditionsreiches Unternehmen den Schritt in die Digitalisierung geht. Während es bei codecentric das genaue Gegenteil war, nämlich der Aufbau eines neuen Standorts mit viel Start-up-Spirit. Ein besonders interessantes Projekt während der Zeit bei codecentric war die KI-Kickbox zusammen mit dem Partnerunternehmen Tomorrow Bird. Das war ein 14-wöchiges strukturiertes Innovationsprogramm, bei dem Mitarbeitende von unseren Kunden, zum Beispiel den Stadtwerken Bielefeld, lernen konnten, was Künstliche Intelligenz ist und wie sie diese im Alltag einsetzen können. Sie entwickelten eigene Ideen für den Einsatz von KI und konnten mit Unterstützung konkrete Probleme aus ihrem Arbeitsalltag lösen. Dadurch war eine hohe Motivation bei den Teilnehmenden zu spüren und es war sehr interessant, Einblicke in verschiedenste Bereiche der Kundenunternehmen zu bekommen.
Gab es bei ihrer Lehrtätigkeit an der Hochschule Bielefeld etwas, das Sie sich auch für Kiel wünschen würden?
Ich habe an der Hochschule Bielefeld im Verbundstudium unterrichtet: Die Studierenden arbeiteten unter der Woche und kamen samstags freiwillig zur Hochschule. Diese Disziplin hat mich sehr beeindruckt.
Außerdem wurde seit letztem Jahr unter den Lehrenden ein enger Austausch durch die Studiengangsleitung initiiert. Die Treffen der Lehrenden wurden mit Impulsvorträgen bereichert und interaktiv wurde in Kleingruppen Wissen und neue Informationen geteilt und diskutiert. Das war sehr wertvoll. Solche Formate würde ich mir auch für Kiel wünschen.
Was möchten Sie den Studierenden an der FH Kiel gerne mit auf den Weg geben?
Was mir besonders wichtig ist: Verlassen Sie sich nicht nur auf KI. Stärken Sie Ihre Grundlagen, die Problemlösefähigkeit und das kritische Denken. KI liefert oft schnelle Antworten, nutzt dabei aber Lösungen, die bereits irgendwo in der Vergangenheit dokumentiert wurden – es ist immer ein Blick zurück. Wir als Gesellschaft werden in Zukunft vor Problemen stehen, für die es noch keine Lösungen gegeben hat. Für diese neuen Herausforderungen braucht es Kreativität und eigenständiges Denken. Das macht später auch den Unterschied in der Wirksamkeit im Berufsleben: nicht nur, wie gut Sie KI-Tools bedienen können, sondern wie tief sie etwas inhaltlich verstehen und kreativ mit Neuem umgehen können.
