Rennauto PhoeniX© K. Loidl

Einmal aussteigen, bitte!

von Ann-Christin Wimber

Einen (vollelektrisch) betriebenen Rennwagen zu entwickeln, zu konstruieren, zu bauen und zu vermarkten – darum geht es in der Formula Student (FS). Dabei sollen Studierende theoretisches Wissen aus den Bereichen Mechanik, Elektronik, Informatik sowie Marketing & Eventmanagement und Sponsoring & Finanzen in die Praxis umsetzen. Perfekt für eine Hochschule der Angewandten Wissenschaften. Bereits seit 2006 fahren die Studierenden, die sich im Raceyard-Team engagieren, auf den Rennstrecken Europas um den Sieg. In diesem Jahr steht zum ersten Mal eine gänzliche neue Disziplin für Raceyard auf dem Plan: das autonome Fahren. Dem ultimativen Praxistest müssen sich die rund 40 Studierenden, die sich in der Hochschulgruppe engagieren, auf der FS Germany auf dem Hockenheimring (18. bis 24. August) stellen. Bis dahin muss der diesjährige Rennwagen T-Kiel A 25 X, genannt ‚PhoeniX‘, seine Performance auf den Events in Assen und Spielberg (20. bis 25. Juli) beweisen. Parallel dazu wird weiter getestet, verbessert und optimiert.

 

So lief die Saisonvorbereitung

Mitte Juni mussten Team und Fahrzeug bereits eine erste Bewährungsprobe bestehen. Das VDE-Racing Camp im brandenburgischen Schwedt ist ein Trainingswochenende zur FS, bei dem Studierendende aus Nord- und Ostdeutschland den Ernstfall proben können. „Die Wettbewerbe dort werden genauso durchgeführt wie bei den eigentlichen Formula Student Events“, sagt Prof. Dr.-Ing. Klaus Lebert vom Fachbereich Informatik und Elektotechnik der FH Kiel, der gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Hennig Strauß, Professor für Arbeitsplanung/Arbeitsvorbereitung im Bereich der Produktionstechnik, das studentische Rennwagen-Team berät und unterstützt. Die Wettbewerbe bestehen aus mehreren statischen und dynamischen Disziplinen. Dazu gehören zum einen die Bewertung der Konstruktion sowie der Architektur der Steuergeräte und eine Kostenkalkulation. Die dynamischen Wettbewerben fokussieren unter anderem das Fahren in Kurven, mit Volldampf auf gerader Fahrbahn und über eine längere Strecke mit Fahrerwechsel. „Das Fahrzeug wird auf Herz und Nieren geprüft. Der Kipppunkt muss stimmen, die Bremsen müssen fassen, der Akkumulator einer vollständigen Sicherheits- und Funktionsüberprüfung standhalten“, erklärt Strauß. Insgesamt sei das kein Spaziergang. Die Studierenden müssen sich auskennen, sich gut vorbereiten und Detailwissen haben. In diesem Jahr lag ein Fokus der Jury im Bereich der statischen Wettbewerbe auf der Kostenkalkulation für das Lenksystem. Dabei muss erstmals auch das CO₂-Equivalent ausgewiesen werden, das jedes einzelne Bauteil im Herstellungsprozess verursacht hat. „Da ist es natürlich von Vorteil, dass wir diese an den Maschinen in der digitalen Fabrik des CIMTT der FH Kiel direkt nachvollziehen können“, verdeutlicht Strauß, Professor für Arbeitsplanung und -vorbereitung im Bereich der Produktionstechnik. Beim Testlauf in Schwedt errang Raceyard Platz 2.

Rennauto Formula Student PhoeniX beim Test©Raceyard

In diesem Jahr haben die Konstrukteure zum ersten Mal ein drag reduction system (DRS) verbaut. Dieses wird auch in der Formel 1 verwendet. Dieser vom Fahrer aktivierte Mechanismus reduziert bei Bedarf den Luftwiderstand, um die Geschwindigkeit auf der Geraden zu erhöhen und Überholvorgänge zu erleichtern. Es funktioniert, indem eine Klappe am Heckflügel geöffnet wird, wodurch der Abtrieb reduziert wird und das Auto schneller beschleunigen kann. „Wir haben eine lange Lernphase durchgemacht“, resümiert Lebert. „Aber in diesem Jahr läuft alles sehr zielgerichtet.“

Die größte Herausforderung ist in dieser Saison das autonome Fahren. „Die Student Formula bekommt ihre Vorgaben oft aus der Industrie“, sagt Lebert. „Auch, dass wir in Hockenheim autonom fahren müssen, trägt den Entwicklungen in der Automobilindustrie Rechnung.“ Die Herausforderung für das Team aus Kiel besteht darin, das Lenksystem im Monocoque (das Cockpit des Rennwagens) so zu gestalten, dass es sowohl von einem Fahrer als auch von einem automatisierten System gesteuert werden kann.

Die Formula Student gilt als der größte Konstruktionswettbewerb weltweit. „Für viele Studierende ist das Mitwirken bei Raceyard ein guter Schritt in die Unternehmenswelt hinein“, ergänzt Strauß.Es gibt immer etwas, an dem die Studierenden tüfteln können. Erprobt werden die Neuerungen am Wagen auf diversen Teststrecken: auf dem ehemaligen Bundeswehr Hubschrauberflugplatz ‚Hungriger Wolf‘ bei Itzehoe, auf der Motorcross Rennstrecke Estering bei Buxtehude und auf dem Übungsplatz der Mitbewerber Seagulls der Technischen Hochschule Lübeck. „Wir haben ein Problem, Teststrecken in Kiel zu finden“, erklärt Strauß. „Unser ganzes Budget fließt ins Auto – wir haben kaum Geld für die Teststrecken oder Windkanalstunden.“ Doch sowohl das Fahrzeug als auch die Logistik will geprobt werden. Immerhin gehören zur Raceyard-Ausstattung nicht nur der ‚PhoeniX‘, der transportiert werden soll, sondern auch Werkzeug, Ersatzteile, Zelte, Kochequipment und das Team.

Boxenstopp für Raceyard-Rennwagen PhoeniX©K. Loidl

Finanziert wird Raceyard nur zu einem geringen Teil von der Hochschule; den Löwenanteil der benötigten Mittel müssen die Mitglieder des Bereichs Sponsoring & Finanzen selbst besorgen.

 

Aktuelle Saison läuft

Noch bis morgen, 18. Juli 25, befindet sich das Team an ihrer ersten Station des großen FS-Zirkus im niederländischen Assen. Um auf die Rennstrecke zu gelangen, muss das Team diverse technische Abnahmen überstehen. Diese finden sich dann in Form von Aufklebern auf dem Fahrzeug. „Wir melden uns nach allen erfolgreich abgeschlossenen technisch-mechanischen Tests ‚ready to race‘“, gab Prof. Dr.-Ing. Henning Strauß am vergangenen Dienstag bekannt.

Übrigens: Raceyard freut sich immer über neue Teammitglieder. Mehr unter raceyard.de

Raceyard-Team 2025©K. Loidl
© Fachhochschule Kiel